Interviewreihe «Female Leadership und Unternehmertum»

Obwohl in der Kultur viele Frauen tätig sind, sind sie in Führungspositionen häufig untervertreten: Eine neue Interviewreihe der ZHaW School of Management and Law mit dem Titel «Female Leadership und Unternehmertum» greift diese Thematik auf.
Im ersten Interview gewährt Anita Hugi einen Einblick in ihr Verständnis eines guten Leaders resp. einer guten Leaderin und erzählt uns, warum und wie unsere Arbeitswelt und Strukturen neu gedacht werden sollen und welche Frauen sie inspirieren. > Das ganze Interview lesen.

Obwohl in der Kultur viele Frauen tätig sind – auch bei uns ist die Mehrheit der Absolventinnen und Absolventen weiblich – sind die Führungspositionen dennoch häufig überwiegend von Männern besetzt. Wie erklären Sie sich das?
Anita Hugi: Ein Systemfehler… (lächelt). Ganz im Ernst: es geht darum, unsere Arbeitswelt und Strukturen neu zu definieren und weiter zu entwickeln, dass Frauen mit ihren Werten, die nicht immer die gleichen sind, ihr volles Potential entwickeln und einsetzen können. Im Filmbereich macht die Vereinigung SWAN eine exzellente Arbeit. Um es provokativ und plakativ zu sagen: Das weibliche Führungsprinzip setzt vielleicht mehr auf Gestaltung als auf Macht. Auf Solidarität statt auf Seilschaft. Auf Eigeninitiative und auf Mitbestimmung statt auf Hierarchie.
Da wir trotz allem in einem hergebrachten System unterwegs sind, kann es schon zu «Karriere- Klemmern» kommen. Aber eben, wie meine Mutter sagte: «Never give up!» Sie hat mich mit ihrem Willen und ihrer Kreativität sehr geprägt – und begleitet mich. Und der Humor meiner Eltern, der ist mir auch Antrieb. Man muss auch immer wieder lachen können. Das ist ganz wichtig!

Was macht für Sie persönlich eine/n gute/n «Leader/in» aus?
Eine Vision. Echtes Interesse. Den Wunsch, neue Zugriffe und auch neue Formen von Führung zu entwickeln – und weiter zu entwickeln. Ich halte nicht viel von Rezeptbüchern. Ich halte nicht viel von Hierarchie, jedoch halte ich viel von klaren Strukturen und Rollenverteilung. Jede und jeder ist im Zusammenspiel systemrelevant. Es ist dabei sicherlich eine Utopie, steinalte Strukturen neu denken zu wollen. Eine Utopie verfolgen: als Ziel und als Leitstern, zu dem man sich hinbewegt.

Erst vor knapp 50 Jahren wurde in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht für Frauen eingeführt. Auch die Solothurner Filmtage greifen dieses Jubiläum auf. Können Sie uns etwas darüber berichten?
Wir werden mit dem filmhistorischen Programm der 56. Solothurner Filmtage 2021 sieben Schweizer Filmpionierinnen, welche die Zeitspanne 1971 – 1981 geprägt haben, vorstellen. An jedem Festivaltag wird eine andere Pionierin im Fokus stehen. Prägende Frauen – in allen Gebieten – bleiben oft «bekannte Unbekannte». Sie interessieren sich – wie ich in mehreren historischen Filmprojekten in den letzten Jahren festgestellt habe – oft eher fürs Tun als für den Ruhm – und so fehlt ihre Spur oft in der offiziellen Geschichtsschreibung. Dabei können wir so viel von diesen Frauen lernen! Auch in der Cinémathèque Suisse beispielsweise gebe es im Vergleich bis anhin nur wenige Nachlässe von Frauen. Es ist wichtig, diesen weiblichen Teil unserer (Film-) Geschichte zu kennen. Wesen ist, was gewesen ist. Mit dem Blick zurück lernen wir uns selber besser kennen. Die sieben Schweizer Filmpionierinnen hatten in den 1970er Jahren den Mut, entgegen dem «Mainstream» ihre Themen und ihre Ästhetik einzubringen. Die zehn Filme werden das facettenreich vorstellen. Es geht dabei in vielen Filmen um Sexualität – angefangen beim Film von Tula Roy zu Lady Shiva, der 1975 für die legendäre Ausstellung «Frauen sehen Frauen» im Museum Strauhof in Zürich entstand. Die Emanzipation fing nicht selten auch beim eigenen Körper an – und damit, sich vom Blick der anderen zu emanzipieren, ihn selber zu bestimmen.
Die meisten dieser zehn Filme waren nicht mehr öffentlich zugänglich. Wir konnten sie in den letzten Monaten in Zusammenarbeit mit unserer Online-Edition filmo, der Cinémathèque suisse und dem Lichtspiel in Bern digitalisieren. Es wird ein Fest!


Welche Frauen inspirieren Sie?
Jede Frau, die ihren eigenen Weg konsequent und kreativ geht – und dabei immer auch das Menschliche fest im Blick behält. Ich glaube an Empathie – die Neurowissenschaftlerin Tania Singer hat das einmal sehr eindrücklich erklärt in einer Sternstunde-Sendung. Zuletzt hat mich die Journalistin und Politikerin Rosa Bloch (1880-1922) inspiriert, mit deren leider allgemein unbekanntem Schaffen ich mich im Rahmen meines letzten Dokprojekts «Die rote Hanna» beschäftigte. Die «Brillanten-Rosa» hat in den 1910er Jahren Aussergewöhnliches für das Frauenstimmrecht und für soziale Gerechtigkeit in der Schweiz geschaffen – und geriet absolut ins Vergessen.
Dieses Vergessen ist übrigens oft kein Zufall. Auch die Frage des Frauenstimmrechts war schon 1918 im Zürcher Kantonsrat und im Bundesparlament Thema – und wurde trotz Versprechen bewusst zuerst auf die lange Bank geschoben, und dann von den zuständigen Bundesräten zuunterst in der Schublade verstaut. Deutschland und Österreich haben das Frauenstimmrecht 1918 eingeführt. Weshalb nicht die Schweiz, wo sie doch über Jahrzehnte ein Zentrum der internationalen Frauenbewegungen war – und Ende des 19. Jahrhunderts in Zürich und Bern die ersten Universitäten in Europa stellte, wo Frauen promovieren konnten? 2013 habe ich die Filmreihe «Cherchez la femme» zu prägenden Schweizer Künstlerinnen produziert, zu deren Werk es bis anhin keine Filme gab. Ich konnte mich so eingehend mit dem Werk und den Zugriffen von Sophie Taeuber Arp, Meret Oppenheim und Manon beschäftigen.
Es bleibt da viel von dieser Arbeit in mir zurück – auch als Ansporn. Darunter Meret Oppenheims Satz von 1975 – also meinem Geburtsjahr: “Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen.” Gerade für uns Schweizer*innen immer wieder eine wichtige Erinnerung.

Was raten Sie jungen Frauen, die sich für eine Karriere in der Filmbranche interessieren? Gibt es einen Ratschlag, den Sie selbst gerne bekommen hätten?
Neugierig bleiben. Schauen, wie es andere machen. Verstehen, was einem daran gefällt. Wege suchen, es umzusetzen. Selbst-vertrauen – sich selber vertrauen. Und jene suchen, denen man vertrauen kann. Ihren Werten. Ihrer Sorgfalt. Ihrer Kreativität. Und: Neues wagen!

Dezember 2019 / > Das ganze Interview auf der Website der ZHaW lesen.